damir_doma, fw 2012 (bild via)/ magazin der schöne mann, cover, bremen 2012 (bild)
endlich habe ich mir das magazin-experiment der hochschule für künste bremen, der schöne mann, zugelegt. noch habe ich mich nicht durchgearbeitet durch die knapp 300 seiten starke publikation, ein beitrag zum modischen konsumverhalten schwedischer männer hat mich dann aber doch aufhorchen lassen. lena meltzer, männermodedesignerin bei fifth avenue shoe repair, sagt dort im interview:
Sie (anm: die männer) kaufen gerne das Schlichte, suchen darin aber nach Originalität. Herausstechen will niemand, man möchte sich harmonisch einfügen. Interessant scheinen mir derzeit die Designer, die es wagen, die schmale Silhouette wieder aufzulösen. Kris van Assche, Damir Doma, Christophe Lemaire oder Matthew Ames arbeiten z.B. mit minimalistischen, großzügigen Silhouetten. Vielleicht kündigt sich mit dieser Form aus den internationalen Trends auch für die schwedische Mode ein Wechsel an, der hier gesellschaftlich bereits vollzogen ist.
so weit - so gut. dann setzt meltzer aber noch eins drauf. sie setzt die zunehmend legeren silhouetten in der männermode in bezug zum (fortschrittlichen) schwedischen männerbild:
Schwedische Männer dürfen sich eine gewisse Weichheit erlauben, die als attraktiv gilt. Hier gilt es als "männlich", wenn man sich sozial engagiert und auch tatsächlich die Hälfte der Kinderbetreuung übernimmt. (...) Dieses positive Verantwortungsbewusstsein passt gut zur neuen Echtheit der unprätentiösen Silhouette von Ames, Lemaire und Assche.
das klingt beim ersten lesen irgendwie, naja, zumindest nachvollziehbar: die kuschelweichen männer schlüpfen nun also lieber in bequeme silhouetten statt die beinchen in die viel zu engen skinnies zu quetschen - die stören ja nur beim sandburgenbauen auf dem kinderspielplatz. beim zweiten überfliegen: moment mal! was meint frau meltzer da bloß mit "neue echtheit"? was macht die weiten hosen und fließenden silhouetten denn nun zu echteren looks als die schmal geschnittenen hedi slimane-jahrgänge? ich gebe zu: ich bin verwirrt, vermute aber mal, gemäß dem motto "allem anfang wohnt ein zauber inne", dass das vermeintlich neue eben gerne positiv besetzt wird - und die völlig begeisterte männermodedesignerin zu solch markigen sprüchen hingerissen hat. oder wie bewertet ihr diese interpretation schwedischer männermode?
* aus: der schöne mann – das magazin, schwedische männer sind anders, interview von josepha brun, catharina dwenger, bianca holtschke und verena kempaß mit der designerin lena meltzer, s. 233.
5 Kommentare:
bei aller kritik, die man an der teilweise recht oberflächigen und auch einseitigen art der darstellung haben kann: ein paar der fotos liebe ich sehr. und auch nicht nur weil ich an einen der fotografen mein herz verschenkte.
"neue Echtheit" erinnert mich in dem Zusammenhang irgendwie ein bisschen an diese Artikel zum Thema "Verweichlichung des Mannes" (Beispiel Zeit: http://www.zeit.de/2012/02/Maenner)...
Natürlich verurteilt Frau Meltzer diese "gewisse Weichheit" nicht unbedingt, und das ganze ist natürlich auf die Kleidung bezogen, aber Ich verstehe dein Hadern mit der Formulierung, weil diese davon ausgeht, dass es eine bestimmte Sache, in diesem Fall einen Look, geben muss, der das wahre, echte, richtige ist. Von dem also ausgegangen wird und alles andere, hier also die schmale Silhouette, verurteilt oder sogar als falsch angesehen wird.
Um den Bezug auf den Zeit-Artikel nicht zu verlieren: Die Autorin geht davon aus, dass es ein Rollenbild gibt, was richtig (und wichtig für Frauen, oder besser heterosexuelle Partnerschaft) ist und dass Männer, die diesem nicht entsprechen (können/wollen), als ein Problem oder zumindest etwas Negatives zu beurteilen sind.
Ist natürlich die Frage, ob diese einseitige Beschreibung dieser Ästhetik so gemeint ist oder nicht...
@frl.krautwurst, welcher der fotografen denn? da sind ja einige involviert...
@lola, danke für dein kommentar! den von dir angesprochenen "schmerzensmänner"-artikel und die darauf folgende debatte kam mir auch in den sinn. allerdings bewertet frau meltzer die "neuen silhouetten" und das damit für sie verkörperte männerbild für sich rein positiv. nina pauer verurteilt die vermeintlich "verweichlichten" männer: "Verkopft, gehemmt, unsicher, nervös und ängstlich ist er, melancholisch und ratlos. Er hat seine Rolle verloren." und: "Statt fordernd zu flirten, gibt er sich als einfühlsamer Freund."
interessanterweise fügt auch die designerin lena meltzer im interview an, dass "die schwedinnen" für mikael persbrandt, der den "eigensinnigen dickköpfigen polizisten in der krimiserie "beck" spielt", schwärmen. und der setzt im zweifelsfalle auch gerne mal die fäuste ein.
das bedürfnis nach "dem entscheidenden move", so nennt pauer das, scheint wohl auch unter schwedischen frauen da zu sein...wie sich das mit dem sozialen engagement und der gerecht aufgeteilten kinderbetreuung vereinbaren lässt? schweden scheint wohl ein land unendlicher möglichkeiten;-)
was wäre nun also, wenn denn nun all die baumwollstrickjackenjungs, die sich in berlin und anderswo hinter ihren hornbrillen verstecken, auch noch die engen hosen gegen weites schlabbergewand eintauschen? dann fühlt sich nina pauer in ihrer these wahrscheinlich auch noch bestätigt.
vielleicht sollte sich einfach mal sibylle berg mal des männermodethemas annehmen;-)
der mit dem husky. (und da ich ja auch an dieser uni studiere, freue ich mich auch einfach über die aufmerksamkeit, die diese publikation erlangt.)
und ich finde gerade diese suche nach der echten silhouette total schwierig. wenn man die für sich selber, individuell sucht, ist das wohl sehr normal. und auch wenn ich mode designe gibt es da sicher eine prägende, spezifische form. aber das als echt zu bewerten... oder überhaupt zu wollen, dass es echt ist, finde ich fürchterlich schwierig. (wenn man rückschauend auf mode eines jahrzehnts blickt wird sich sowas sicher auch immer wieder herauskristalisieren, das ist auch klar.) argh... ich hadere aber mit dem wahrheitsanspruch von mode.
und ich brauch noch mehr kaffee für dieses thema.
ich finde glaube ich nichts schlimmer als menschen die sagen "ich finde sexismus blöd, also kann ich nicht sexistisch handeln.", denn das macht es zu leicht. dann wird angefangen mit sachzwängen zu argumentieren. dann ist es halt leichter, wenn mann(!) nicht das kind hütet, weil er mehr verdient, aber es ist ja nicht sexistisch/ein tradiertes rollenbild, weil man es ja würde, wenn man könnte.... das individualisiert das problem. und an dem punkt hilft es mir nicht, wenn der mann dann weite hosen trägt und auf sein reformiertes männerbild verweisen kann.
auch wenn ich es toll finde, wenn männer immer mehr freiheit bekommen sich zu schmücken. der putz ist aber nicht die gestaltung der eigenen rolle. das fällt doch selten in eins.
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