modeblogs sind ein echtes modethema geworden: journalisten lästern gerne mal über sie, die magazine nutzen sie als contentlieferanten. und: seit einiger zeit werden sie nun auch wissenschaftlich beackert, zum beispiel von monica titton. die soziologin untersucht in ihrer dissertation, wie sich die mode und die medien der mode durch das aufkommen von web 2.0 publikationen verändern und hat sich bereits im sommer 2010 in ihrem artikel mode in der stadt in texte zur kunst mit streetstyle-blogs auseinandergesetzt. nun, mehr als eineinhalb jahre später, interessiert mich dann doch, wie sie die bloggende mode-community aktuell einschätzt.
welche trends und entwicklungen beobachtest du im bereich mode- und streetstyle-blogs?
Zum einen findet nach wie vor eine Professionalisierung und Etablierung der Star-BloggerInnen als fixe Mitglieder der Modeindustrie, insbesondere der Modepresse, statt. Das betrifft vor allem die altbekannten Street Style-FotografInnen wie Garance Doré, Tommy Ton und Scott Schuman. Das liegt einerseits daran, dass es in der Branche der Modefotografie nicht unüblich ist, Quereinsteiger zu integrieren, andererseits vielleicht auch daran, dass das Format Street Style eine lange Tradition in der Modefotografie hat und damit eine Renaissance des Genres quasi vorprogrammiert war. Zudem passen Street Style Blogs sehr gut in die digitale Modelandschaft: sie können schnell konsumiert werden und erfordern relativ wenig Konzentration, ähnlich wie das Durchblättern einer Modezeitung, wo es ja auch vor allem um den visuellen Reiz geht.
wie würdest du das, was auf den streetstyle-blogs zu sehen ist, beschreiben?
Es
werden nach wie vor viele Street Style Blogs gegründet, aber trotzdem gibt es
eine große Uniformität auf den Bildern. Damit meine ich nicht nur die
formale Gestaltung, sondern auch die Motive und der Typ Mensch, der bevorzugt
von den Street Style BloggerInnen fotografiert wird. Ich würde sagen, dass die
wirklich bekannten Street style Blogger sich mittlerweile fast ausschließlich
auf Mitglieder der Modeindustrie konzentrieren, was dazu führt, dass sich das star
fashion system zwischen New York, Paris, London und Mailand irgendwie
ständig selbst beobachtet. Es findet eine sehr eigenartige Umkehrung der Rollen
statt: Models sind Street Style FotografInnen geworden und ModeredakteurInnen
sind zu Models avanciert, letzten Endes werden die Models dann aber doch wieder
von den Moderedakteurinnen gecastet. Eine solche systematische fotografische
Selbstbeobachtung der Modeindustrie hat es bislang noch nie gegeben.
Abgesehen von dem Dutzend wirklich bekannter Street Style Blogs, die sich eben
vermehrt zu Beobachtungsinstanzen des Modezirkus gemausert haben, gibt es aber
noch eine Menge von wirklich interessanten Street Style Blogs aus der ganzen
Welt, die weiterhin eifrig unseren modischen Zeitgeist dokumentieren.
Allerdings sind die auch weniger bekannt, und es ist gar nicht so leicht, diese
Blogs ausfindig zu machen.
…und
nun, die modeblogs?
Was
die Modeblogs betrifft, ist die Situation ähnlich: es gibt viele Bestrebungen
und Initiativen, insbesondere in der US-amerikanischen ModebloggerInnen-Szene,
um die Legitimität von Modeblogs als eigenständige Modemedien anzuerkennen
(etwa: gerechte Bezahlung für Advertorials durchsetzen,
Akkreditierung als FotografInnen bei Fashion-Shows erleichtern, etc.) .
Genauso wie bei den Street Style BloggerInnen, gibt es ein paar Mode-BloggerInnen,
die es geschafft haben, aus ihrem Blog eine erfolgreiche Ich-AG innerhalb der
Modeindustrie zu machen.
aussen
hui und innen pfui oder anders gefragt: was läuft eigentlich inhaltlich ab auf
den blogs?
während internationale
bloggerInnen zunehmend kommerzielle kooperationen eingehen, steckt die
entwicklung deutschsprachiger blogs in dieser hinsicht noch in den
kinderschuhen - oder wie schätzt du die lage der deutschsprachigen
modeblogsphäre ein?
Ich
glaube, dass die Lage der deutschsprachigen Modeblogsphäre analog zum
Stellenwert der Modeindustrie im deutschsprachigen Raum bestellt ist und
insofern schaut es gar nicht so schlecht aus... Natürlich spielt aber auch die
Sprache eine Rolle, Englisch ist im Internet schlicht und einfach die lingua
franca. Wer auf Englisch bloggt, erreicht damit viel mehr UserInnen.
während das blogformat im
politbereich oft als kritisches medium/regulativ genutzt wird, findet kritik
auf modeblogs selten statt. wie erklärst du dir das?
Es
ist leider wahr, dass man auf Modeblogs selten so etwas wie kritische
Modeberichterstattung, bzw. kritische Texte zu Mode findet. Allerdings
ist das ein Problem, das nicht nur Modeblogs betrifft, sondern ganz allgemein
die Medien der Mode. Viele der ModebloggerInnen, die erfolgreich sind,
haben verstanden, dass sie im Grunde genommen die gleiche Strategie wie
Modezeitschriften verfolgen können: sie bieten sich grob gesagt als
MultiplikatorInnen von Neuheiten und Trends an und machen einfach ganz viel Werbung.
Die
wenigen, die es geschafft haben, aus ihrem Blog einen lukrativen Job zu machen,
sind Vorbilder für alle anderen, die das auch schaffen wollen, und daher werden
diese Star Style BloggerInnen zum Vorbild erkoren. Das führt zu
Uniformität. (Refinery29 hat dazu übrigens ein tolles flowchart gemacht). Modezeitschriften
leben aber schließlich auch hauptsächlich vom Anzeigengeschäft, daher sind die
Texte darin ja oft so seltsam, wenn es tatsächlich um Klamotten geht.
Verglichen mit dem größtenteils rein deskriptiven journalistischen Stil in
Modezeitungen, findet auf manchen Blogs jedoch eine sehr persönliche und
kritische Auseinandersetzung mit Mode statt. Allerdings
können die Menkes und die Horyn auch von ihrer kritischen Modeschreibe leben,
während sich ähnlich ambitionierte BloggerInnen mit völlig anderen ökonomischen
Bedingungen konfrontiert sehen. statt, die man in den meisten Modemagazinen
vergeblich sucht. Diese wenigen kritischen Blogs orientieren sich an den
Koryphäen des unabhängigen Modejournalismus in der Tages- und Wochenpresse, wie
etwa Suzy Menkes oder Cathy Horyn. Die beiden operieren außerhalb der
Modeindustrie – das ist der springende Punkt. Sie bewahren sich durch ihre
Anbindung an eine große Tageszeitung ihre journalistische Unabhängigkeit, was
ihnen erlaubt, sich kritisch zu bestimmten DesignerInnen zu äußern.
wohin gehts denn nun mit den modeblogs, welchen formaten prognostizierst du eine zukunft?
Ich
glaube, dass sich das Format des Online-Magazins immer mehr durchsetzen
wird und sich diese digitalen Magazine immer stärker als Konkurrenz gegen
Modezeitschriften durchsetzen werden. Personal Style Blogs, Lifestyle Blogs und
Modeblogs werden glaube ich durchaus weiterhin bestehen bleiben, allerdings
zeichnet sich eine Tendenz ab, sich zusammenzuschließen und stärker zu
vernetzen, z.B. in Form von „Gemeinschafts-Blogs“ wie „Nowmanifest“.
Durch die Professionalisierungswelle, die viele Modeblogs ergriffen hat, sind
Modeblogs und Modezeitschriften sich immer näher gekommen. Daher glaube ich,
dass viele ModebloggerInnen den Generationenwechsel in den traditionellen
Printmedien mittragen werden.
6 Kommentare:
sehr interessant, vielen Dank!
toller Artikel! Hat mir sehr gut gefallen.
Endlich mal wieder ein Artikel / Interview mit Substanz. Auch ich würde gerne kritischer schreiben, habe aber meistens - wie auch im Artikel betont - nicht die Zeit dazu, da ich mein eigentliches Leben meistern muss und vom Bloggen eben nicht leben kann.
Danke für das Interview!
wann wird die diss denn fertig sein? würd ich gerne lesen.
Hallo,
auch mich würde es interessieren die Dissertation zu lesen. Ich würde gerne wissen welchen Einfluß die Blogs, besonders die gehypten von irgendwelchen 13 jährigen Mädels sich auf die Modewelt wirklich auswirken.
LG LM
@michaela und @lisamaria: bis die Dissertation fertig ist, wird es wohl noch eine Weile dauern. Dazwischen schaffe ich es hoffentlich, den einen oder anderen Artikel zum Thema zu publizieren!
Danke euch allen für das tolle Feedback!
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