Freitag, 2. Oktober 2009

geht das: kritisch modebloggen?


Die Unabhängigkeit der Blogs wird zunehmend von großen Konzerne, Labels und Marken genutzt, integriert und zur Imagepflege benutzt. Die Protagonisten benutzen es eher zur Erarbeitung eines feinen Portfolios, als dass es zur unabhängigen, kritischen Berichterstattung genutzt würde. Sie haben auch ein bisschen den Spaß verloren, bloggen kaum mehr Inhalte. (timo feldhaus in de:bug) von mary in die runde geworfen... (bild)

ich liebe mode - und ich hasse sie. und trotz regelmäßiger modebloggerei kann ich das guten gewissens genauso stehen lassen, schliesslich kann mode doch so einiges: diejenigen verletzen, die nicht sexy genug sind, um dazuzugehören, aber eben auch ungeheure möglichkeiten eröffnen, sich selbst über das äussere auszudrücken. und ja, wie sollte es anders sein: ich kenne beide seiten, sonst würde hier wahrscheinlich auch nicht so viel geschimpft werden. denn ohne modischen ausschluss und die erfahrung, was das falsche label zum falschen zeitpunkt getragen eben auch anrichten kann, würde ich vermutlich nicht modebloggen - und wenn doch, dann wahrscheinlich noch mehr konsumprosa zum besten geben als ich es zugegebenermaßen ja auch immer wieder tue. so aber packt sie mich immer wieder- die angriffslust und das ringen mit dem, was einerseits so verabscheuungswürdig, gleichzeitig aber auch so verdammt reizvoll ist. kostprobe gefällig? mode ist vergänglich, selbstherrlich, unnütz, narzistisch, rassistisch, reaktionär, ungerecht. sie propagiert althergebrachte rollenmodelle und huldigt den immergleichen schönheitsidealen. und letztlich gehts nicht um kunst und schönheit, wie gerne behauptet, sondern um den umsatz. das wissen wir alle, und diese altbekannten generalisierungen siedle ich jetzt einfach mal - wenn nicht auf einen konkreten gegenstand angewandt - fernab ernstzunehmender modekritik an. denn grosse modekollektionen aus der ferne zerreissen, solange noch keine platzkarten für die fashionweek in paris oder london oder new york oder anzeigenschaltungen prestigeträchtiger unternehmen auf dem spiel stehen, ist natürlich eher ein klacks, das gebe ich zu. nichtsdestotrotz wiederhole ich an dieser stelle gebetsmühlenartig, dass mein modeblog für mich ungeheure freiheit bedeutet: alleine ich entscheide, worüber ich wann und wie schreibe - und das, ohne mich irgendwelchen interessenvertreterInnen gegenüber rechtfertigen zu müssen. diese freiheit versuche ich persönlich auch zu nutzen: ich nehme mir beispielsweise raus, nicht ausschliesslich auf eine möglichst ästhetische zusammenstellung von bildmaterial zu setzen, auch wenn ich mich mit einem möglichst feinen portfolio ohne kommentierung weniger angreifbar mache. das hat zur konsequenz, dass mein nicht ausschliesslich visuell funktionierendes blog für viele uninteressant ist - unternehmen zum beispiel. vielleicht sollte ich mich und meine beiträge aber auch nicht allzu wichtig nehmen, schliesslich geht es firmen weniger um haltung und inhalt eines modeblogs als vielmehr um zugriffszahlen und vernetzung. und so landen wir schlussendlich alle plötzlich in irgendwelchen mailinglisten gewisser firmen, die in uns eben vor allem willige und erfolgshungrige multiplikatorInnen ihrer produktnews sehen. aber genau da packt mich dann auch wieder die angriffslust: ich will nicht - wie wahrscheinlich niemand von uns - die billige, da unbezahlte handlangerin sein. denn, wie bereits zu beginn gebeichtet: ich liebe sie, die mode. aber genauso hasse ich sie. und dennoch: die zuneigung scheint die oberhand zu behalten. deshalb schreibe ich hier immer wieder von neuem und durchaus mit dem anspruch, weitestgehend unabhängig zu bleiben, gleichzeitig aber nicht allzu verbissen rüberzukommen. denn natürlich möchte ich die, die sich diese seite zu gemüte führen, - mit verlaub - auch ein wenig unterhalten. und gott sei dank hat mir rodarte noch kein päckchen mit entsprechendem strickpullover zugeschickt, sonst käme ich noch in die bredouille, outfitposts zu machen. denn damit will ich hier nun wirklich niemanden belästigen - und mit der unabhängigkeit wärs auch vorbei.

...eventuell mag sich ja noch jemand zu diesem thema äußern, vielleicht hat ja panda fuck lust dazu.

11 Kommentare:

Ida hat gesagt…

Lupenreiner Schreibstil in diesem sehr guten Post. Toll. :)

Vanessa M. hat gesagt…

Ich bin dran, mir schwirrt nur noch ein bisschen die Birne.

Unknown hat gesagt…

das ist mal sinnvolles taggen ;)

vielen dank für deinen beitrag! gerade der hass auf die mode ist ja ein vielbesungenes thema - auch bei mir! gerade der hass auf die perfektion, die tüdelei, die extreme und die schönheit. da gibts es aber zum glück ernst zu nehmende gegenbewegungen, oder nebenbewegungen, besser nennt man sie wohl "daneben"bewegungen

Unknown hat gesagt…

eine kritik (?) zu margiela: http://tavi-thenewgirlintown.blogspot.com/2009/10/house-of-maison.html

teresa m. buecker hat gesagt…

Schön, dass ihr die Diskussion angestoßen habt. Vielleicht finde ich an diesem Sonntag auch endlich mal die Zeit, wieder etwas zu schreiben.
Ich bin sehr dankbar für Modeblogs und ihre kritische Haltung. Der Ansatz der debug, Modeblog über einen Kamm zu scheren, ist ein wenig zu einfach. Die Masse, in der Modeblogs auftreten hat immerhin dazu geführt, dass sich hier eigene Genres herausbilden und von einfachen Shoppingtagebüchern bis zu anspruchsvollen Betrachtungen alles mit dabei ist.

Daniel hat gesagt…

daumen mal pi würde ich sagen:

WO kritisch, wenn nicht im blog.

und das schlimmste, was einem nach dem nicht positiv kommentierten rodarte-pulli passieren kann, ist, dass es keinen zweiten gibt.

schlimmer finde ich (unlängst passiert, mir) intimidierungsversuche hinter den kulissen.

also: wo, wenn nicht im blog, subjektiv, kritisch, hemmungslos... ;)

michaela hat gesagt…

mich hat das eine zeit lang auch gewundert, dass der grossteil der blogs fast nur affirmativ agiert -- zähle mich selber durchaus zu den kritischen.

wobei ich nicht glaube, dass affirmation immer im hinblick auf gegenleistungen geschieht, sei es jetzt pullover, handtasche oder ein platz in der front-row.

viele unternehmen haben mittlerweile auch ein sehr profundes social-media know-how, sodass affirmation alleine auch gar nicht reichen würde --> glaubwürdigkeit ist das zauberwort, das funktioniert offenbar bei tavi und den amis.

andererseits wieso sollten blogs jetzt die rolle einer quasi ausserparlamentarischen opposition, wenn ich das jetzt mal so vergleichen darf, übernehmen?

weil der klassische (mode)journalismus es nicht geschafft hat, von unten, das System in seinen Grundfesten erschüttern?

das grossartige an der digitalen "revolution" ist doch, dass individuen die billige medienproduktion für sich nutzen können.

ob die das jetzt kritisch (btw diese begriffs-definition ist auch sehr schwierig) tun oder lieber damit geld verdienen oder geschenke annehmen oder versuchen alles zu verbinden.... hat doch wohl alles seine berechtigung...

lookinglikeaem hat gesagt…

ich stimme dem post auf jedenfall zu aber aus ganz persönlicher sicht ist kritk im blog für mich kein qualitätskriterium... der inhalt muss stimmen und das können auch mal nur ästhetisch aneinander gereite bilder sein - solange es ein besonderer blickwinkel ist bzw. eine interessante individuelle ansicht oder auseinandersetzung, her damit!

gila hat gesagt…

ich denke das ist der weg alles seins... irgendwann bezahlt (oder eben auch nicht) und genutzt zu werden von irgendeinem geldgeber. andererseits glaube ich, wie du, an die freiheit des internets. vielleicht bin ich da blauäugig, aber für mich ist das internet ein anarchischer ort und wird es bleiben. bemühungen der konzerne hin oder her. eine fortschreitende kommerzialisierung streite ich nicht ab, trotzdem gibt es die möglichkeit frei zu agieren - um mir das zu beweisen muss ich nur zeitung lesen. alle paar monate knacken hacker just for fun irgendwelche datenbanken, einfach, weil sie es können. das ist nicht cool, aber frei. das internet hat genug platz für bezahlte und unbezahlte kritiker, die letzte hürde ist dann, beide auseinanderzuhalten.

Anne hat gesagt…

Großartig!

Die Idee der stillen Protestmarsch-Haltung hat auch mich dazu bewegt, die Plattform des Modebloggens auf eine ganz eigene Art und Weise zu nutzen: ich greife die "Propaganda" auf und zeige, dass nicht alles Gold ist, was teuer ist und man viele Ideen auch selbst umsetzen kann.

Ich umgehe das Prinzip der Selbstdarstellung indem ich meine Visage aus dem Spiel lasse, greife die Liebe zur Mode auf, indem ich huldige und zitiere, bleibe aber dennoch frei und zeige nichts, was makellos perfekt ist!

Ich finde, dein Post beweist, dass du diese Blutgrätsche zwischen Liebe und Hass perfekt verinnerlicht hast und deine Beiträge zu lesen ist eine Wonne! ;)

Rene Schaller hat gesagt…

ich glaube man muss beide seiten kennen, das system mode von innen kennengelernt haben um es kritisch von aussen betrachten zu können. viele blogger kennen die abläufe nicht, wissen nicht wie dieser aussen glitzernde hexenkessel von innen aussieht, und sehen es deshalb als höchstes ziel an dabei zu sein.
es ist durchaus verständlich mal ein teil der industrie sein zu wollen, nur wird man genau dadurch empfänglich für die verlockungen und letzten endes zum opfer.
es ist vielleicht ein reifungsprozess den verlockungen widerstehen zu lernen, ein pullover von rodarte gegen glaubwürdigkeit ist ein fauler tausch.

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